Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen
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Wer kam, als die Römer gingen?

Die Alamannen im Oberen Gäu

Luftbild
D as Obere Gäu zwischen Schönbuch, Rammert und Schwarzwald, mit Herrenberg im Norden, Tübingen im Osten, Rottenburg im Süden und Dornstetten im Westen bietet mit seinen fruchtbaren Lößböden, den zahlreichen Bächen und den umgebenden Wäldern ideale Bedingungen für Ackerbau und Viehzucht. Schon seit der jüngeren Steinzeit war das Gebiet ständig besiedelt, während der römischen Herrschaft gehörte es zum römischen Reich mit Rottenburg-Sumelocenna als Verwaltungsmittelpunkt.

D ie Alamannen in den historischen Quellen

Historische Quellen über die Alamannen, ein Zusammenschluß mehrerer germanischer Stämme, sind spärlich. In den Jahren 259/60 n.Chr. gelang es ihnen offenbar, den Limes zu überrennen und die römischen Truppen an Rhein und Donau zurückzudrängen. Bei dem Versuch ihren Machtbereich nach Westen zu vergrößern, kam es zu Auseinandersetzungen mit den Franken. 496/97 besiegte König Chlodwig aus dem Geschlecht der Merowinger die Alamannen und Alamannien geriet unter fränkische Herrschaft. Auch der Versuch der alamannischen Herzöge zu Beginn des 8. Jh. die Unabhängigkeit wieder zu erlangen, wurde von dem karolingischen Hausmaier Karlmann im Jahre 746 (Gerichtstag von Bad Cannstatt) erfolgreich niedergeschlagen.

Frauengrab
G räber und Gräberfelder

Während aus frühalamannischer Zeit (2.H.3.-Mitte 5.Jh) allgemein nur wenig Gräber bekannt sind (aus dem Oberen Gäu ist lediglich ein Frauengrab aus Bondorf zu vermerken), verbessert sich die Fundsituation in der Merowingerzeit (Mitte 5. Jh.-fr. 8. Jh.). Ab dieser Zeit wurden Ortsfriedhöfe angelegt, deren Belegungsbeginn auch Rückschlüsse auf die Gründungszeit der zugehörigen Siedlungen zulassen. Die Toten bestattete man in ihrer Tracht, ihren Waffen und ihrem Schmuck, die ihre Stellung im Leben auch im Jenseits sichern sollten. Dabei sind unterschiedlich ausgestattete Gräber zu beobachten, die soziale Unterschiede der einzelnen Bewohner widerspiegeln. Zu den frühen und reichen Bestattungen zählen zwei Männergräber des 5. Jh. aus Entringen mit einer Goldgriffspatha (zweischneidiges Langschwert mit einem Griff aus Goldblech), die sicher ein Statussymbol darstellt. Der einzige fast vollständig ausgegrabene Friedhof ist das Gräberfeld von Hailfingen mit fast 700 Gräbern.

Grubenhaus
S iedlungen

Die Siedlungsspuren aus frühalamannischer Zeit sind im Oberen Gäu etwas zahlreicher als die Gräber (Gültstein, Bondorf). Vermutlich handelte es sich um kleine, nur über eine kurze Zeitspanne bewohnte Gehöfte. Die Siedlungen der Merowingerzeit werden nur selten aufgedeckt, da sie in der Regel unter den heutigen Ortskernen liegen. Größere Ausgrabungen fanden in Rottenburg-Sülchen und Herrenberg-Raistingen statt. Sie bestätigen das auch aus anderen archäologischen Untersuchungen bekannte Bild einer reinen Holzbebauung, die sich in Gehöfte mit Hauptgebäude (Wohnstallhaus) und Nebengebäuden (eingetiefte Keller und Webhütten, Speicherbauten) untergliedert. Brunnen, Feuerstellen und Abfallgruben runden das Bild ab. Ab dem 7. Jh. tauchen die ersten Kirchen im Siedlungsbild auf.

B esiedlungsablauf

Sämtliche Informationen aus Ausgrabungen, Fundbergungen und Beobachtungen geben Hinweise auf den Besiedlungsablauf, der sich von den Randbereichen immer weiter ins fruchtbare Korngäu und seit dem 7. Jh. auch im weniger fruchtbaren Heckengäu am Schwarzwaldrand ausbreitete. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Ortsnamensendungen wider. Zu den ältesten Siedlungen zählen Entringen, Nagold, Raistingen-Herrenberg und Ergenzingen.

Scheibenfibel
T racht

Von der Tracht sind in der Regel nur die Teile aus Metall und Bein erhalten geblieben. Daß die Tracht von Frauen und Männern, einschließlich dem Schmuck und den Waffen, auch damals Modetrends unterworfen war, macht den Archäologen eine Datierung der einzelnen Gegenstände möglich.
Die Frauenausstattung ist gekennzeichnet durch die Fibeltracht. Diese Sicherheitsnadel mit Schmuckcharakter wurde für das Zusammenhalten des Gewandes verwendet. Die Frauen trugen auch Armringe, Perlenketten, Ohrringe, Haar- und Gewandnadeln, Gürtel mit Gehängen sowie Wadenbinden (eine Art Strumpfhalter).
Bei den Männergräbern spielen Waffen eine große Rolle. Angriffswaffen sind das einschneidige Hiebschwert (Sax), das zweischneidige Langschwert (Spatha), die Streitaxt und die Lanzenspitze. Zum Schutz diente der Holzschild mit metallenem Schildbuckel. Eine besondere Bedeutung hatte der Gürtel, der das modische Detail der Männertracht war.

Spatha

Goldblattkreuz
Z eugnisse des Glaubens

Mit dem Vordringen des Christentums finden sich in den Gräbern immer wieder Objekte, die mit dem Glauben der Toten in Verbindung zu bringen sind. Neben christlichen Symbolen wie den Goldblattkreuzen aus Derendingen gibt es auch Zeichen des noch vorhandenen heidnischen Glaubens, der in der Zierscheibe von Hirschau mit der Darstellung Wodans zum Ausdruck kommt.

Zierscheibe


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ufg-info@uni-tuebingen.de(ufg-info@uni-tuebingen.de) - Stand:16.März 1996